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发表于 2003-4-7 01:42:18
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Das Jahr 2001 ist das "Europäische Jahr der Sprache". Es gab 1979 das Jahr des Kindes, 1985 das Jahr der Frau, 1986 das Jahr des Baumes, 1990 das Internationale Jahr der Alphabetisierung. Alles, was in irgendeiner Weise bedroht ist oder was man bedroht glaubt, wird offenbar zum "Jahr des ..." erklärt und unter besonderen Schutz gestellt, um wenigstens das schlechte Gewissen zu beruhigen.
Im Jahr 2001, dem Europäischen Jahr der Sprache, werden Vereine ins Leben gerufen, Symposien werden abgehalten, Bücher und Artikel in Zeitungen und Zeitschriften werden veröffentlicht, Internetseiten werden gestaltet, über die man trotz von ihren Schöpfern intelligent genannter Suchmaschinen längst die Übersicht verloren hat. Es wird konstatiert, es wird kritisiert, die Kritik wird kritisiert, es werden Empfehlungen ausgesprochen, es wird gefordert. Und am 1. Januar 2002 wird ein neues Jahr beginnen, und so wie das Jahr des Kindes und das Jahr der Frau in Vergessenheit geraten sind, wird auch das Jahr der Sprache eher früher als später wieder in Vergessenheit geraten.
Aber: Müssen wir die deutsche Sprache überhaupt unter Schutz stellen? Geht es beim Europäischen Jahr der Sprache nicht eher um den Schutz "kleiner" Sprachen und Dialekte? Um das Rätoromanische in der Schweiz vielleicht oder um das Ladinische in Südtirol? Aber doch nicht um das Deutsche! Eine von mehr als 100 Millionen Menschen gesprochene Sprache!
1. Alltagsdeutsch - Alltagsdenglisch?
Walter Krämer, im Hauptberuf Professor für Wirtschaft und Statistik an der Universität Dortmund und im Nebenberuf vielbeschäftigter 1. Vorsitzender des "Vereins für deutsche Sprache e.V.", entwirft im Vorwort seines Buches "Modern talking auf deutsch" die folgende Zukunftsvision: "Wir schreiben den 1.1.2022. Soeben ist Deutschland (also known as Germany) der 51. Bundesstaat der USA geworden. Ganz Deutschland? Nein. Ein paar versprengte Dörfer in abgelegenen Winkeln der Lüneburger Heide, der Eifel und des Hunsrücks, wo man skater noch für Kartenspieler und einen hamburger für einen Mann aus Hamburg hält, haben dieses event verschlafen. Denn nicht überall ist man mit Hollywood verkabelt, und noch immer zeigt das Imperium McDonalds auch in Deutschland weiße Flecken. Und so geht das highlight des Jahres 2022 an vielen germans (Germanen) unbemerkt vorüber."
Und genau das will Krämer mit seinem Wörterbuch verhindern.
Walter Krämer bringt damit satirisch überspitzt auf den Punkt, wovor schon seit Jahren eine Vielzahl von engagierten Sprachschützern mehr oder weniger eindringlich warnt: die Gefahr einer Amerikanisierung der deutschen Sprache.
Im Heft 4/2001 fragt das FondsMagazin, ob eine "Rettung für die deutsche Sprache" möglich sei und es stellt fest, dass immer mehr Amerikanismen Eingang fänden in die deutsche Sprache.
Im Heft 29/2001 heißt der SPIEGEL "Welcome in Blabylon" und er kommt zu der Erkenntnis, dass alberne Anglizismen das Deutsche überspülen und einen Mischmasch namens "Denglisch" erzeugen würden.
Und die Computerzeitschrift c’t schließlich stellt in ihrer Ausgabe 12/1999 fest: "Wir stehen kurz vor einer feindlichen Invasion. Allerdings werden wir nicht einfach plump mit Bomben beworfen, nein: Unser Gegner operiert mit einem besonders perfiden Mittel - er schleust Vokabular ein und bekämpft damit das Deutsche als ‘selbständige Kultursprache’." Belassen wir es bei diesen drei Beispielen. Mit Ausnahme des SPIEGEL sind es Beispiele aus Zeitschriften aus Branchen, die sich ansonsten wahrlich nicht als Bewahrer der deutschen Sprache hervortun.
Ungezählte weitere Beispiele ließen sich mühelos beibringen. Die meisten von ihnen lassen sich auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Die Sprachen, und insbesondere die deutsche Sprache, werden von Amerikanismen überrollt. Deutsch verkomme immer mehr zu einem "idgin-Dialekt". Die eigenständige Kultursprache Deutsch werde eher früher als später aufhören zu existieren und das besonders Verwerfliche an diesem Prozess sei, dass die Deutschen keinen Widerstand gegen diese Invasion leisten würden, ja sie würden, um bei diesem kriegerischen Bild zu bleiben, entweder kapitulieren oder dem Angriff des Gegners sogar Vorschub leisten. Den Deutschen wird damit eine Gesinnung unterstellt, die ein ungarischer Germanist unlängst als "Sprachilloyalität" bezeichnet hat.
Die Kollaborateure des Gegners fahren schwere Geschütze auf. Englisch sei schlicht und einfach besser als Deutsch, schreibt in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 22.2.2001 ein Herr Robin Detjes unter der Überschrift "Aufstand der Zwerge. Die Sprachschutzdebatte: Deutschtum und Deutschtümelei" und er macht sich damit zum Wortführer einer uneingeschränkten Übernahme amerikanischer Wörter in das Deutsche. Er empfiehlt den uneingeschränkten Gebrauch von Anglizismen, denn Amerika habe nun mal die stärkere Kultur, da könnten wir lange zappeln. Sie verfüge auch über die stärkere Sprache. Wer aus dem Amerikanischen übersetze, erblasse unweigerlich vor Neid - auf die Eleganz, die Effektivität und die Dichte dieser Sprache, die sich auf unvergleichliche Weise kurz fassen könne.
Oftmals gebe es für englische Wörter gar kein deutsches Äquivalent, ist ein weiteres Argument, das Englische sei bedeutend wortreicher als das Deutsche, übrigens ein häufiger Irrtum, der aber auch durch fast gebetsmühlenartige Wiederholung nicht richtiger wird. In der Zeit der Globalisierung sei es notwendig, ja unverzichtbar, wenn schon nicht grundsätzlich Englisch zu sprechen, so doch wenigstens die deutsche Sprache mit Amerikanismen zu durchsetzen.
Auch durch die Einführung des Computers und insbesondere des Internets sei eine Amerikanisierung unserer Sprache notwendig.
Und schließlich hätten sich Sprachen sowieso immer schon gewandelt und sich den Veränderungen in der Gesellschaft angepasst.
Auch für die Befürworter einer grenzenlosen Übernahme von Amerikanismen in die deutsche Sprache ließen sich problemlos weitere Belege finden.
Fazit: Es ist hier so wie überall. Die Wahrheit liegt nicht bei einer dieser beiden extremen Meinungen, sondern sie liegt irgendwo zwischen beiden Polen in der Mitte und sie pendelt mal in die eine und in die andere Richtung.
Und außerdem sollte man es nicht bei der Diskussion über gelegentliche oder übertriebene Verwendung von Amerikanismen bewenden lassen, wenn man den Zustand der deutschen Gegenwartssprache betrachten will. Denn allein die Amerikanismen in der Alltagssprache für die Gefährdung der deutschen Sprache verantwortlich zu machen, greift viel zu kurz und übersieht einen viel perfideren Einfall des Amerikanischen.
Zudem muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Warnungen vor einem Sprachverfall alles andere als neu sind. Die Debatte darüber, ob durch das übermäßige Eindringen fremder Wörter die deutsche Sprache überfremdet wird und letztlich in Gefahr gerät, gänzlich verdrängt zu werden, reicht Jahrhunderte zurück und sie wurde in periodischen Abständen immer wieder aufgegriffen.
Solche Sprachgesellschaften wie heute z.B. der "Verein für deutsche Sprache" sind nicht neu und sie sind übrigens auch keine deutsche Erfindung. Bereits Ende des 16. Jahrhunderts war in Florenz in Italien eine Vereinigung zur Pflege der nationalen Sprache und Literatur, die "Accademia della Crusca", also frei übersetzt die Akademie, die die Kleie vom Mehl trennen will, entstanden. Nach ihrem Vorbild wurde 1617 in Weimar die "Fruchtbringende Gesellschaft", die später nach ihrem Symbol auch "almenorden" genannt wurde, 1633 in Straßburg die "Aufrichtige Gesellschaft von der Tannen" und 1643 in Hamburg die "Teutschgesinnte Genossenschaft" gegründet. Eine Vielzahl solcher Gesellschaften folgte, in Nürnberg, in Leipzig, in anderen Städten. Sie wurden von den bedeutendsten literarischen Köpfen der damaligen Zeit ins Leben gerufen, von dem Dichter Martin Opitz, von dem Dichter und Sprachgelehrten Justus Georg Schottel und nicht zuletzt von dem Dichter und Theatermann Johann Christoph Gottsched. Ein wichtiges Ziel dieser Vereinigungen war neben anderem die Reinigung der frühneuhochdeutschen Sprache von ihrer Meinung nach überflüssigem fremden Wortgut und die Beseitigung der modischen Vermengung mehrerer Sprachen. So schrieb der Satiriker Johann Michael Moscherosch (1601 - 1669) in einem Gedicht:
Fast jeder Schneider will jetzt und leider
der Sprach erfahren sein und redt latein,
wälsch und französisch, halb japonesich,
wann er ist doll und voll, der grobe Knoll.
Ihr bösen Teutschen, man soll’ euch peitschen,
daß ihr die Muttersprach so wenig acht.
Ihr lieben Herren, das heißt nicht mehren:
Die Sprach verkehren und zerstören.
Ihr tut alles mischen mit faulen Fischen
und macht ein Mischgemäsch, eine wüste Wäsch.
Ihr bösen Teutschen, man sollt’ euch peitschen.
In unserm Vaterland, pfuy ob der Schand!
Rein sprachhistorisch betrachtet ist das, was spätestens seit diesen Sprachgesellschaften bis in unsere Zeit kritisiert wird, keineswegs neu. Die deutsche Sprache lebt, sie hat sich, wie alle Sprachen der Welt, von anderen Sprachen beeinflussen lassen und sie hat andere Sprachen beeinflusst. In manchen Epochen ihres "Lebens" waren diese Einflüsse besonders stark, in manchen weniger. Den Prozess, dass zu manchen Zeiten besonders viele Wörter aus anderen Sprachen in das Deutsche eingedrungen sind, nennt man sehr bildhaft Lehnwortwellen. |
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